Problemhaut oder ärztliche Indikation? Diese Frage stellt sich im Falle einer Barrierestörung. Eine trockene Haut, erkennbar durch einen hohen TEWL (Transepidermal Water Loss; transepidermaler Wasserverlust) und eine mit der Corneometer®-Sonde leicht messbare, niedrige Hautfeuchte, gehört zur Problemhaut. Ist die Barrierestörung jedoch stark ausgeprägt und kommen Entzündung und Juckreiz hinzu, kann es sich möglicherweise um eine atopische Haut (Neurodermitis) handeln. In beiden Fällen ist eine geeignete, individuell angepasste Hautpflege nötig. Die neurodermitische Haut sollte zusätzlich von einem Arzt begutachtet werden, denn sie ist eindeutig eine Indikation. Trockene Haut kann man kosmetisch mit einer fettstoffreichen Creme pflegen, die mit einem NMF (= Natural Moisturizing Factor, z. B. Aminosäuren, Harnstoff) und Hyaluronsäure ausgerüstet ist. Bei der atopischen Haut sind zusätzlich Wirkstoffe mit antientzündlichem Potenzial (essenzielle Fettsäuren, Boswellia) wünschenswert, vielleicht auch Komponenten, die den Juckreiz (Harnstoff, Allantoin und andere Amide) hemmen. Das hört sich bereits sehr medizinisch an, ist es aber nicht, solange die Hautpflege explizit keine Linderung oder Heilung verspricht. Die Überlegungen zur Hautpflege sollten in diesem Fall aber noch weiter gehen: Emulgatoren können Barrierestörungen fördern. Auf sie sollte ebenso wie auf allergene Konservierungsmittel und Duftstoffe, die die gestörte Barriere leicht passieren können, verzichtet werden. Mineralöle, die Oberflächenfilme auf der Haut bilden und die hauteigene Regeneration behindern, sind ebenfalls kontraproduktiv. Bis hierher bewegt man sich innerhalb der Prinzipien der Korneotherapie. Erfahrungsgemäß erreicht man mit der konsequenten Auswahl der Pflegecremebestandteile und der kosmetischen Wirkstoffe klare Verbesserungen des Hautbildes, manchmal sogar präventive Beschwerdefreiheit. Untermauert wird dies durch klinische Studien mit beachtlichen Resultaten (siehe Literatur). Die folgende Übersicht zeigt summarisch einige ärztliche Indikationen mit ihren pharmazeutischen Wirkstoffen und die begleitende kosmetische Hautpflege mit ihren kosmetischen Wirkstoffen - ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Beachtenswert ist: Bei zielorientierter Vorgehensweise lässt sich der Behandlungsschwerpunkt in vielen Fällen mehr und mehr auf die passende Hautpflege legen.
Indikation |
Pharmazeutische Wirkstoffe (z. Teil auch orale Anwendung) |
Kosmetische Wirkstoffe |
Akne (fettige Haut) Fettige Haut mit Effloreszenzen und Komedonen |
Benzoylperoxid, Retinoide, Erythromycin und andere Antibiotika, Azelainsäure, Linolsäure, Salizylsäure, Hormone, Fruchtsäuren, Zinkoxid |
Phosphatidylcholin (Liposome)1), Linolsäure, Salizylsäure, Azelainsäure, Betulinsäure, Vitamin A, Hefe, Spitzwegerich, Berberin |
Akne (trockene Haut) Fettarme Haut mit Effloreszenzen und Komedonen; ab dem 3. Lebensjahrzehnt |
Benzoylperoxid, Retinoide, Erythromycin und andere Antibiotika, Azelainsäure, Linolsäure, Salizylsäure, Hormone, Fruchtsäuren, Zinkoxid |
Pflanzliche Triglyceride3), Phosphatidylcholin (Nanodispersionen)1), Linolsäure, Salizylsäure, Azelainsäure, Betulinsäure, Aminosäuren (NMF), Vitamin A, Hefe, Spitzwegerich, Berberin, Phytohormone (Rotklee, Soja) |
Aktinische Keratose Bösartige chronische Lichtschädigung |
Diclofenac, 5-Fluorouracil, 5-Aminolävulinsäure (photodynamische Therapie) |
Boswellia |
Allergisches Kontaktekzem (Kontaktdermatitis) Hautrötungen, Bläschen, Knötchen, nässende Defekte nach Kontakt mit Allergenen, z. B. Nickel |
Kortikoide, Antihistaminika, Lokalanästhetika |
Pflanzliche Triglyceride3) und Phytosterine zur Stabilisierung der Barriere, Vermeidung trockener Haut |
Couperose Bindegewebsschwäche mit Gefäßerweiterungen |
Retinoide, Antibiotika (Minocyclin, Doxycyclin, Metronidazol), Azelainsäure |
Pflanzliche Triglyceride3), Leinöl, Nachtkerzenöl, Azelainsäure, Betulinsäure, Phosphatidylcholin (Liposome, Nanodispersionen)1), Echinacea, Mäusedorn |
Dekubitus (Wundliegen) |
D-Panthenol, Antibiotika, entzündungshemmende und fettende Salbengrundlagen (Prävention) |
Wasserfreie Grundlage aus pflanzlichen Triglyceriden3), Phosphatidylcholin1), hydriertem Phosphatidylcholin2) und Phytosterinen (Prävention) |
Entzündung (Dermatitis) (s. Ekzeme, Dermatosen, Neurodermitis etc.) |
Antibiotika, Antimykotika, Antihistaminika, Immunsuppressiva, Kortikoide, Kamille, Calendula, D-Panthenol |
Nachtkerzenöl, Leinöl, Boswellia, D-Panthenol, Phosphatidylcholin (Nanodispersionen)1), Echinacea |
Hyperpigmentierungen Verstärkte Melaninbildung |
Chemisches Peeling, Hydrochinon |
Ascorbylphosphat (Vitamin C-phosphat); Vitamin A, Azelainsäure, Phosphatidylcholin (Liposome, Nanodispersionen)1), Extrakte: Malve, Pfefferminz, Schlüsselblume, Frauenmantel, Echter Ehrenpreis, Melisse, Schafgarbe |
Ichthyose (Fischschuppenkrankheit) Gestörte Abschuppung der Korneozyten |
Retinoide, Harnstoff (keratolytisch) |
Pflanzliche Triglyceride3), Phytosterine, Vitamin A, Phosphatidylcholin (Nanodispersionen)1), hydriertes Phosphatidylcholin (DMS-Grundlage)2) |
Gamma-Bestrahlung Rötungen und Trockenheit der Haut bei Strahlentherapie |
Entzündungshemmende und fettende Salbengrundlagen |
Phosphatidylcholin (Nanodispersionen)1), Nachtkerzenöl, Leinöl, Aminosäuren (NMF), CM-Glucan, Harnstoff, Aloe Vera, Boswellia, Echinacea |
Laserbehandlungen Vor- und Nachbehandlung zur Verhinderung der Melaninbildung |
keine |
Ascorbylphosphat (Vitamin C-phosphat), Phosphatidylcholin (Liposome)1), Extrakte: Malve, Pfefferminz, Schlüsselblume, Frauenmantel, Echter Ehrenpreis, Melisse, Schafgarbe |
Narben Verhärtungen des Bindegewebes in unterschiedlicher Ausprägung |
Retinoide, Heparin, chemisches Peeling |
Vitamin A, C, E, Coenzym Q10, D-Panthenol, Phosphatidylcholin (Nanodispersionen)1), hydriertes Phosphatidylcholin (DMS-Grundlage)2) |
Neurodermitis Entzündliche Barrierestörung mit ausgeprägtem Juckreiz |
Antiseptika, Kortikoide, Immunsuppressiva, Antihistaminika, Harnstoff (Hautfeuchte, Juckreiz), Polidocanol (Juckreiz), Nachtkerzenöl, D-Panthenol |
Pflanzliche Triglyceride3), Leinöl, Nachtkerzenöl, Linolsäure, Phytosterine, Ceramide, Harnstoff, Allantoin und andere Amide, Phosphatidylcholin (Nanodispersionen)1), Boswellia, hydriertes Phosphatidylcholin (DMS-Grundlage)2) |
Periorale Dermatitis Kleine gerötete oder entzündete Knötchen/Bläschen rund um den Mund |
Erythromycin, Minocyclin, Metronidazol, Azelainsäure, Gerbstoffe |
Boswellia, Phosphatidylcholin (Nanodispersionen)1), Azelainsäure, Grüner Tee, Hamamelis, Echinacea, Mäusedorn |
Psoriasis (Schuppenflechte) Schuppende, entzündliche Dermatose durch starke u. beschleunigte Verhornung (Hyperkeratose) |
Dithranol (Cignolin), Salizylsäure, Harnstoff, Teerpräparate, Kortikoide, Calcipotriol, Retinoide, Cyclosporin A, Psoralene, Fumarsäure, Fumarsäureester |
Nachtkerzenöl, Leinöl, Phosphatidylcholin (Liposome, Nanodispersionen)1), Fumarsäure, Harnstoff |
Perianale Barrierestörung Wunde Stellen am Gesäß. Häufig durch übertriebene Hygiene |
Antiseptika, Hamamelis, D-Panthenol, entzündungshemmende und fettende Salbengrundlagen |
Wasserfreie Grundlage aus pflanzlichen Triglyceriden3), Phosphatidylcholin1), hydriertem Phosphatidylcholin2), Phytosterinen |
Rosacea Hautrötungen und Störungen des Bindegewebes |
Retinoide, Antibiotika (Minocyclin, Doxycyclin, Metronidazol), Azelainsäure |
Pflanzliche Triglyceride3), Leinöl, Azelainsäure, Betulinsäure, Phosphatidylcholin (Nanodispersionen)1), Vitamin A |
Schwangerschaftsstreifen Narbenartiges Gewebe durch Überdehnung |
Vitamin A-Säure, Trichloressigsäure (chem. Peeling) |
Prävention: Hagebuttenkernöl, Leinöl, Vitamin E, Coenzym Q10, Phosphatidylcholin (Nanodispersionen)1) |
Sonnenbrand und Verbrennungen (Erytheme) |
Antiseptika, NSAID, D-Panthenol |
Leinöl, Linolsäure, D-Panthenol, Phosphatidylcholin (Nanodispersionen)1), Echinacea, Boswellia |
Toxisch-degeneratives Ekzem Chronisch kumulativ-toxisches Kontaktekzem |
Kortikoide, Allantoin, Hamamelis, Antiseptika, D-Panthenol, entzündungshemmende und fettende Salbengrundlagen |
Pflanzliche Triglyceride3), Nachtkerzenöl, Leinöl, Phytosterine, hydriertes Phosphatidylcholin (DMS-Grundlage)2), Ceramide, Harnstoff, Allantoin, D-Panthenol, Hamamelis |
Trockene Haut Störung der Hautbarriere: erhöhter TEWL, erniedrigte Hautfeuchte |
Harnstoff, Linolsäure, fettende Salbengrundlagen |
Pflanzliche Triglyceride3), Linolsäure, Ceramide, CM-Glucan, Aminosäuren (NMF), Phosphatidylcholin (Nanodispersionen)1), hydriertes Phosphatidylcholin (DMS-Grundlage)2), Aloe Vera, Hyaluronsäure, CM-Glucan |
Anmerkungen zur Tabelle:
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Phosphatidylcholin ist durch seinen Linolsäuregehalt ein eigener starker Wirkstoff. Andererseits dient es zur Penetrationsverstärkung polarer wässriger Wirkstoffe (in Liposomen) und lipophiler Wirkstoffe (in biologisch abbaubaren Nanodispersionen). Insbesondere fette Öle wie Leinöl, Nachtkerzenöl sowie fettlösliche Vitamine werden dadurch besser verfügbar und sensorisch akzeptabel.
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Hydriertes Phosphatidylcholin ist neben Triglyceriden, Phytosterinen, Squalan und Ceramiden strukturgebender Bestandteil emulgator- und konservierungsmittelfreier DMS-Basiscremes mit hautähnlicher Membranstruktur.
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Bei pflanzlichen Triglyceriden kann es sich um Neutralöle (mittelkettige Triglyceride), Avocadoöl, Weizenkeimöl, Mandelöl o. ä. handeln. Spezielle Triglyceride wie Nachtkerzenöl (Hauptwirkstoff: gamma-Linolensäure), Leinöl (Hauptwirkstoff: alpha-Linolensäure), Hagebuttenkernöl (Linolsäure & alpha-Linolensäure) werden gesondert aufgeführt.
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Die in der Tabelle aufgeführten Wirkstoffe werden einzeln oder in sinnvollen Kombinationen eingesetzt - abhängig vom jeweiligen Hautzustand.
Wird eine ärztliche Behandlung mit pharmazeutischen Wirkstoffen zusammen mit abgestimmter Hautpflege eingesetzt, spricht man auch von adjuvanter Korneotherapie. Vielfach werden sogar gleiche Wirkstoffe verwandt, deren Funktionalitäten sich allerdings unterscheiden können. Aber was spricht dagegen, die bei Rosacea eingesetzte Azelainsäure in einem Pflegeprodukt bis zu 1% als Konsistenzgeber anzuwenden? Man kann davon ausgehen, dass insbesondere in liposomalen Zubereitungen ein synergistischer Beitrag von diesem Inhaltsstoff ausgeht. Eine Übersicht über pharmazeutische Wirkstoffe in kosmetischen Präparaten ist vor kurzem in: Kosmetische Praxis 2010 (3), 10-13 publiziert worden. Optimal ist das Zusammenspiel, wenn im pharmazeutischen und kosmetischen Bereich gleiche Basiscremes zum Einsatz kommen. Manchmal wird man aber auf Cremegrundlagen verzichten und Seren bzw. Tinkturen verwenden, insbesondere bei nässenden oder stark fettenden Hautarealen.
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Lautenschläger H, Universelle Basiscremes mit Membran-Struktur für Hautpflege, Hautschutz und Dermatika, Österreichische Apothekerzeitung 56 (14), 679 (2002)
Dr. Hans Lautenschläger |